Durch meine Arbeit als Hundeverhaltens-Therapeutin konnte ich häufig feststellen dass sich Stress beim Menschen negativ auf die Gesundheit und das Verhalten des Hundes auswirken kann. Mithilfe eines Praxisbeispiels werde ich Euch aufzeigen, welche Auswirkungen Stress beim Hundebesitzer auf die Gesundheit und das Verhalten des eigenen Hundes haben kann. Um Euch die Frage beantworten zu können, ist es wichtig etwas über Stress im Allgemeinen zu erklären, was Stress ist, welche Phasen Stress durchläuft und welche Auswirkungen er beim Menschen hat.
Mithilfe der Stressanalyse und einem Anti-Stress Programm möchte ich zum einen vermitteln, wodurch man Stress erkennt und zum anderen welche Möglichkeiten es gibt ihn zu vermeiden und ihm entgegenzuwirken. Anhand des „Praxisfalls Ben“ werde ich Euch das verdeutlichen.
Inhalt
Stress im Allgemeinen
Unter Stress versteht man ganz allgemein alle Belastungen oder Anforderungen, die bei Menschen zu einer Stressreaktion führen können. Hält der Stress dauerhaft an, kann sich dies nachteilig auf die Gesundheit auswirken. Dass es in bestimmten Situationen zu einer Stressreaktion des Körpers kommt, ist ganz natürlich und muss zunächst keine Besorgnis erregen.
In Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen hat die Stressreaktion vorwiegend in akuten Gefahren beim Überleben geholfen. Denn sie aktiviert den Körper und stellt möglichst viel Energie bereit, um für einen Angriff oder eine Flucht gewappnet zu sein. Durch diese Reaktion war es unseren Vorfahren möglich, etwa bei der Begegnung mit einem wilden Tier rasch genug zu reagieren – entweder durch Kampf oder Davonrennen.
Stress ist in allen Lebensbereichen möglich, egal, ob im Beruf oder in der Freizeit. Er ist auch nicht auf bestimmte Altersgruppen begrenzt oder nur Erwachsenen vorbehalten, bereits Kinder leiden unter Stress. Den meisten Stress erleben Menschen Untersuchungen zufolge im Kontext ihres Arbeitsplatzes, primär Zeit- und Termindruck wirken als Stressoren (Stressauslöser) – aber auch zwischenmenschliche Probleme können zu Stress führen.
Stress ist für viele Menschen kein Ausnahmefall, sondern ein andauernder Zustand – und für manche sogar ein gesellschaftlich erwünschter-Faktor: Nur wer Stress hat, kann von Bedeutung sein und Anerkennung verdienen. Doch was hat das alles mit Hunden zu tun, werden Sie sich vielleicht fragen. Nun auch für Hunde ist das Leben hektischer geworden.
Auch Hunde müssen mit den veränderten Bedingungen in unserer modernen Welt zu Recht kommen. Sie müssen lernen, trotz ihres hochsensiblen Gehörs mit Verkehrslärm und ähnlichem zu leben. In vielen städtischen Gebieten ist Freilauf kaum mehr möglich. Das Leben vieler Hunde ist heute geprägt vom Alleinsein und Warten auf Herrchen oder Frauchen, um dann die gemeinsame Zeit möglichst sportlich mit Joggen oder Radfahren durchzupowern, sodass dies auf Dauer zu Stress führen kann.
Die verschiedenen Stress auslösenden Faktoren, auch Stressoren genannt, kann man folgendermaßen einteilen:
Stressphasen und die Reaktionen des Körpers nach Hans Selye:
1. Schockphase
In der Phase, der Schockphase, erkennt der Körper die Stresssituation und bereitet sich darauf vor, zu handeln: Nahezu alle Kreislauf- und Stoffwechselfunktionen werden schlagartig reduziert, um die bevorstehende Mobilisierung aller Kräfte nicht durch störende Aktivitäten zu behindern. Das Gehirn schlägt Alarmimpulse des Hypothalamus (Steuerzentrum im Zwischenhirn, Schaltstelle zwischen dem Nerven- und Hormonsystem) führen zunächst einmal zu einer Denkblockade. Nachdenken könnte in einer bedrohlichen Situation zu viel Zeit in Anspruch nehmen oder sogar tödlich sein.
2. Alarmreaktionsphase
In der Phase der Alarmreaktion werden vom Organismus alle Reserven aktiviert. Es werden alle Kräfte bereitgestellt, um der Gefahr zu begegnen oder ihr mit größter Eile zu entfliehen. Über Nervenbahnen wird nun die Nebenniere dazu veranlasst, in erhöhtem Maße Adrenalin und Noradrenalin an das Blut abzugeben. In Sekundenbruchteilen bringen die Nebennieren-Hormone Atmung, Kreislauf, Muskulatur und Stoffwechsel auf Hochtouren. Die Hormone schalten gleichzeitig alle nicht lebensnotwendigen Funktionen vorübergehend ab. Zur Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeit erweitern sich die Pupillen. Der Organismus ist nun optimal gerüstet. Alle für die Abwehr der Gefahr wichtigen Organe sind bestens versorgt. Alle Energie ist auf die bevorstehende Handlung ausgerichtet und drängt darauf, eingesetzt und verbraucht zu werden.
3. Widerstandsphase
In der Widerstandsphase setzt sich der Mensch aktiv mit der Stresssituation auseinander. In der Bewältigung der bedrohlichen Situation, sei es nun durch aktive Beseitigung der gefährdenden Störgrößen oder durch schnelle Flucht aus der Gefahrenzone, werden die bereitgestellten Energien verbraucht.
In dieser Handlungs- und Abwehrphase baut der Körper die Stresshormone ab, die durch die Alarmreaktion ausgeschüttet wurden. Hält die Stresssituation jedoch an, bleibt der Körper im Alarmzustand und kann schädliche Folgen nicht verhindern.
4. Erholungsphase
Wurden die Stresshormone abgebaut, folgt die Erholungsphase. Die Erregung klingt ab. Kreislauf- und Stoffwechselfunktionen kehren in die Normallage zurück. Unter Umständen sinken sie vorübergehend unter das Ausgangsniveau ab, um sich dann wieder auf den individuellen Normalzustand zu stabilisieren. Wird der Widerstand aber länger aufrechterhalten, tritt als 4. Phase die Erschöpfung ein, aus der eine stressbedingte Gesundheitsstörung resultieren kann. Dauerstress erschöpft die Energievorräte des Körpers und kann in Extremfällen zum Tod führen.
Die Stressreaktion hat in seiner ursprünglichen Funktion einen positiven Sinn, denkt man an die starken körperlichen Anforderungen, denen der Mensch der Urzeit („Steinzeitstress“) ausgesetzt war. Der moderne Mensch hat in Stresssituationen jedoch nur in seltenen Fällen die Möglichkeit, die körperlichen Reaktionen auch tatsächlich in der Situation abreagieren zu können. Das kann in der Folge von Dauerbelastungen zu Distress (negativer Stress) und stressbedingten Krankheiten führen.
Hans Selye nahm an, dass dieser Reaktionsverlauf eine allen Lebewesen eigene, universell gültige biologisch funktionale Anpassungsreaktion an Gefahrensituationen sei, die fest im Erbgut verankert ist und bei uns Menschen in gleicher Weise funktioniert wie bei Hunden und allen anderen Lebewesen. Untersuchungen ergaben, dass sich die Stressreaktionen einzelner Menschen stark unterscheiden und je nach Situation auch bei derselben Person erheblich variieren können.
Das lässt sich ebenfalls auf unsere Haushunde übertragen, da sich unser Gehirnaufbau gleicht. Wir Menschen haben lediglich mehr Areale, die auch in Ihrer Größe und dem Gewicht variieren.
Auswirkungen von Stress beim Menschen
Auf Dauer verliert der Körper die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren. Auch wenn der Stress wegfällt, setzt dann keine Entspannung mehr ein. Diese permanente körperliche Aktivierung wirkt sich auf verschiedene Bereiche des Körpers aus:
- Die Blutgefäße werden weniger elastisch, wodurch der Blutdruck weiterhin erhöht bleibt.
- Angespannte Muskeln lassen nicht locker.
- Schlaf ist nicht mehr so erholsam wie früher.
- Das Stresshormon Kortisol wird dauerhaft vermehrt ausgeschüttet – dadurch steigt z. B. das Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken.
Stress ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Laut dem aktuellen Deutschen Herzbericht sterben in Deutschland jährlich rund 200.000 Menschen an einem plötzlichen Herzstillstand. In nur etwas mehr als zehn Prozent der Fälle sind kardiale Risikopatienten betroffen, die nach einem Herzinfarkt bereits an einer Herzmuskelschwäche litten oder andere Herzerkrankung hatten.
Gesamtbetrachtung der Auswirkungen beim Menschen
Grundbedürfnisse des Hundes
Die Erfüllung aller Grundbedürfnisse des Hundes, wie Futter, Wasser, Sozialkontakte, Beschäftigung, Schlaf- und Ruhebedürfnis sollte eigentlich für jeden Hundehalter selbstverständlich sein. Es ist allerdings oft gar nicht leicht, für jeden Hund das richtige Maß zu finden. Was beim Futter oft zu viel des Guten getan wird, fehlt auf der anderen Seite bei der Beschäftigung mit dem Hund oder den Sozialkontakten, insbesondere, wenn der Hund viel alleine bleiben muss.
Regelmäßiger Kontakt zu Menschen ist eine wichtige Quelle der Beruhigung und des Stressmanagements für Hunde. Fehlt dieser Kontakt, führt das zu erhöhten Cortisol Konzentration im Blut. Körperkontakt wie Fellpflege, Streicheln und Massieren vermittelt dem Hund das Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und hat eine beruhigende und stressmindernde Wirkung auf das Nervensystem.
Besonders Stress auslösend ist die längerfristige Trennung eines Hundes von seiner Beziehungsperson/en oder schlimmer noch deren Verlust z. B. durch Abgabe ins Tierheim, Trennung der Beziehungspersonen oder gar durch Ihren Tod.
Untersuchungen zur Trennungsproblematik haben gezeigt, dass der Hormonspiegel extrem ansteigt. Häufig entstehen Stressprobleme durch nicht ausreichende Ruhephasen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig.
Neben der tatsächlichen Überforderung des Hundes durch lange Spaziergänge oder andere Freizeitaktivitäten besonders bei jungen Hunden können zum Beispiel fehlende Ruheplätze, auf die sich der Hund wirklich zurückziehen kann, mögliche Ursache sein. Kinder sollten unbedingt lernen, dass man dann den Hund, wenn er schläft, wirklich in Ruhe lassen muss.
Auch die Unterforderung ist leider ein großes Thema. Eine Studie (Anders Hallgren, mentales Training, S.10) mit 200 Hunden ergab, dass 40% der Hunde mehr als 20 Stunden Ruhezeit am Tag haben, Unterforderung ist also genauso Stress auslösend wie Überforderung.
Außerdem führt die angestaute Energie dann dazu, dass ganz normales hündisches Verhalten wie Bellen dann aus Langeweile und um Aufmerksamkeit zu bekommen, vom Hund so intensiv gezeigt wird, dass der Mensch es dann als Problemverhalten bezeichnet. Es ist nämlich ein häufiger Fehler des Menschen, aufgrund eines Symptoms in einer bestimmten Situation seinen Hund als aggressiv, ängstlich, störend etc. einzuordnen.
In der Folge reagiert der Mensch dann oft mit Bestrafung und zerstört dadurch das Vertrauensverhältnis zu seinem Hund. Hektik, Ärger und Aggression im Umfeld eines Hundes führt bei ihm, wenngleich es nicht um ihn geht, wiederum zu Stress.
Für Hunde ist es essenziell, dass sie „ihren“ Menschen richtig einschätzen können und immer wissen, woran sie sind. Ist man als Hundebesitzer inkonsequent oder launisch, wirkt man auf den Hund unberechenbar und diese Erwartungsunsicherheit führt oftmals zu einer starken Verunsicherung des Hundes.
Stress-Symptome bei Hunden
Wenn man einzelne Stress-Symptome betrachtet, ist es wichtig immer den Gesamtzusammenhang zu beachten. Ein einzelnes Symptom für sich genommen kann ein Anzeichen für Stress sein, muss es aber nicht. Hecheln kann zum Beispiel auf Stress hindeuten, ist aber auch eine vollkommen normale Reaktion des Hundes, wenn es sehr warm ist oder auch nach Anstrengungen.
Trifft aber weder das eine noch das andere zu, deutet Hecheln möglicherweise auf eine stressbedingte Kreislaufaktivierung hin. Es ist für die Beurteilung also entscheidend, unter welchen Bedingungen ein Symptom auftritt, wie häufig man es beobachten kann und ob weitere Stress-Symptome hinzukommen.
Mögliche Stress-Symptome und Auswirkungen sind z. B.:
• Magenprobleme, Erbrechen
• Übertriebene Körperpflege, Wundlecken
• Aufreiten
• Allergien (Erstmaliges Auftreten oder die Verschlechterung bestehender Allergien)
• Plötzlicher Haarausfall
• Zerstören von Gegenständen
• Dauerbellen oder Dauerwinseln
• Appetitlosigkeit
• Unangenehmer Körpergeruch oder Geruch aus dem Maul
• Hecheln
• In die Leine Beißen
Die Stress-Analyse
Eine möglichst genaue Analyse der individuellen Situation ist wichtig. Dabei gilt es zu bedenken, dass das eventuell beobachtete Problemverhalten nicht immer direkt etwas mit dem eigentlichen Auslöser zu tun hat. Einem Hund, der stressbedingt ständig Durchfall hat, helfen weder Medikamente noch eine Futterumstellung.
Einem Hund, der aufgrund von permanenter Überforderung zur Aggressivität gegenüber Artgenossen neigt, benötigt kein Sozialisierungstraining, sondern die Ursache der Überforderung muss abgestellt werden. Das Arbeiten an den Symptomen führt also meist nicht zum Erfolg. Da Stress meistens durch mehrere verschiedene Faktoren ausgelöst wird, ist eine genaue Analyse des Tagesablaufs, der Gewohnheiten und es Umfelds des Hundes notwendig.
An dieser Stelle beginnt die Arbeit eines Hundeverhaltenstherapeuten/in, weil der Blick von außen auf die Lebensbedingungen des Hundes meist objektiver ist und man selbst an manche Dinge gar nicht denkt, weil sie zur Gewohnheit geworden sind oder unbewusst ablaufen.
Folgende Punkte sind unter anderem von Bedeutung:
Tagesablauf
- Wie lange ist der Hund allein?
- Wie lange und wie oft wird „Gassi“ gegangen?
- Wie lange sind die Ruhephasen?
Gesundheits-Check
- Die Vorgeschichte des Hundes (soweit bekannt)
- Bisherige Erfahrungen
- Bisheriges Trainingslager
Beschäftigung und Sozialkontakte
- Wer kümmert sich um den Hund?
- Wird der Hund ausreichend beschäftigt?
- Wird der Hund überfordert?
- Wie laufen die Spaziergänge ab?
- Freilauf?
- Kontakt zu Artgenossen?
Fütterungsablauf
- Was wird gefüttert?
- Wann und wie oft wird gefüttert?
Stress-Symptome
- Welche?
- Wann, in welchem Zusammenhang?
- Wie oft?
Problemverhalten?
Was kann man als „Sofortmaßnahme“ tun?
Je nach Ergebnis der Analyse erarbeitet man einen individuellen Anti-Stressplan.
Der Anti-Stressplan
Ein Anti-Stressplan wird langfristig angelegt, denn Probleme, die seit langer Zeit bestehen, kann man nicht innerhalb weniger Tage lösen. Hinzu kommt, dass die Regulierung der Stresshormone auf ein normales Niveau nach lang anhaltender Stressbelastung lange dauern kann. In einigen Fällen ist es nicht möglich, die Stressfaktoren sofort abzustellen.
Ein Hund, der z. B. enormen körperlichen Belastungen ausgesetzt war, sollte seine Aktivitäten langsam reduzieren.
Ähnlich wie bei Hochleistungssportlern kann es sonst zu weiteren gesundheitlichen Problemen kommen. Auch wenn es bei der Stressbearbeitung kein Patentrezept gibt, sind dennoch einige Punkte immer von Bedeutung:
- Auf ausreichende Ruhephasen achten
- Auf Anzeichen von Überforderung achten
- Rituale einführen, denn Sie geben dem Hund Sicherheit
- Selber Ruhe bewahren und Gelassenheit ausstrahlen
- Das Training so gestalten, dass Hund und Mensch dabei Spaß haben. Dabei lieber weniger als zu viel verlangen.
Das Ziel eines Anti-Stressplans ist es, die Stressoren zu erkennen, abzustellen und mit dem Hund so zu trainieren, dass er durch viele positive Erfahrungen selbstbewusst wird. Denn auch Hunde haben Bedürfnisse, die Sie befrieden wollen. Sie haben viele Talente und freuen sich, wenn Sie gefördert werden. Wenn wir die Bedürfnisse unseres Hundes erkennen und ihm ein Partner sind, an den er sich anlehnen kann, sich sicher und geborgen fühlt, dann entsteht eine Bindung, die eine Basis für ein stressfreies Hundeleben ist.
Praxisbeispiel Ben
Auszug aus dem Anamnesebogen „Fall Ben“
Name/Rasse: Ben/Bobtail
Alter: 10 Jahre
Geschlecht: Rüde unkastriert
Herkunft des Hundes: Tierheim im Alter von 2 Jahren
1. Wer sind die Bezugspersonen des Hundes?
Früher hauptsächlich meine Frau, jetzt nur noch ich.
Meine Frau ist vor einem Jahr an Krebs erkrankt.
Ich habe sie vor zwei Wochen für die Palliativ Pflege nach Hause geholt.
2. Gibt es feste Regeln und Abläufe für Ihren Hund?
Früher schon, seit der Krankheit meiner Frau, läuft Ben jedoch nur noch so nebenher. Ich verwöhne ihn in der verbleibenden Zeit, weil er mir leidtut. Manchmal bin ich aber auch streng und ungehalten, weil mir die Nerven durchgehen.
3. Wie oft und wie lange gehen Sie mit Ihrem Hund nach draußen?
Morgens ganz früh circa 1 Stunde, ansonsten im Moment nur kurz Geschäfte erledigen. Vor der Krankheit waren wir oft gemeinsam viele Stunden mit Ben unterwegs.
4. Wer beschäftigt sich mit dem Hund und in welcher Form?
Ein- bis zweimal in der Woche kommen Freunde und nehmen Ben auf einen Spaziergang mit. Ich streichle und rede viel mit ihm, es schön einen so guten Freund zu haben.
5. Gibt es Situationen, die zu Problemen führen oder etwas, was Sie als störend empfinden?
Ben ist vor längerer Zeit an der Leine aggressiv geworden. Er bleibt auch nicht mehr alleine Zuhause.
Er bellt und weint dann ununterbrochen, sogar sein Körbchen hat er beschädigt.
6. Welches Futter bekommt Ihr Hund und was bekommt er außer der Reihe?
Orijen Adult und nebenher bekommt er Rinderohren und Ochsenziemer.
7. Welche Erkrankungen gab es bisher?
Ben hatte eine Hautkrankheit (Sebadenitis) als er zu uns kam. Die Krankheit war seit Jahren ohne Schübe. Jetzt verliert er aber sehr viele Haare und alles ist entzündet.
8. Haben Sie Ängste oder Befürchtungen?
Dass die Krankheit von Ben sich verschlimmert und ich ihn womöglich auch noch verliere. Dass ich nicht genug Kraft habe, was wäre dann mit Ben?
9. Was erhoffen Sie sich von unserer Zusammenarbeit?
Das Ben wieder gesund wird, dass ich ihn erneut für kurze Zeit alleine lassen kann, dass die Leinenaggression wieder aufhört.
Auszug aus der Analyse „Fall Ben“
Sehr geehrter Herr……..,
…Der Bobtail braucht eine konsequente Erziehung, ebenso wie Liebe, Verständnis und unbedingt engen Familienanschluss.
Er ist ein liebevoller Beschützer, ohne übermäßig aggressiv zu sein. Bei Hunden ist der Instinkt zur Verteidigung anderer Rudelmitglieder fest verankert.
Wenn ein Hund das Gefühl hat, sein Mensch ist verletzlich, ist er noch wachsamer.
Ben hat durch seinen hervorragenden Geruchssinn sehr früh gewusst, dass Ihre Frau krank ist und Sie dadurch auch geschwächt sind. Das ist der Grund für seine plötzlich aufgetretene Leinenaggression.
Ben ist durch das Wegbrechen der bisherigen Regeln und Abläufe und der Tatsache, dass Sie ihn durch das Verwöhnen aus seiner Sicht im Rang erhöht haben, sehr verunsichert. Ben bekommt zudem nicht mehr die Auslastung, die er gewohnt war, das alles erzeugt bei Ben Stress. Ben bekommt sehr gutes Getreide- und Nebenerzeugnis freies Futter, was sich in der Vergangenheit positiv auf seine Haut und sein Energielevel ausgewirkt hat.
Die Zusammensetzung von Fisch und Huhn ist augenblicklich besonders gut für Ben. Die Aminosäure Tryptophan (Vorstufe von Serotonin) wird dem Hund gegeben, um das Verhältnis von Noradrenalin und Serotonin auszugleichen.
Die Aminosäure Tyrosin (Vorstufe von Adrenalin und Noradrenalin) setzt nach einer kurzen Zeit Cortisol frei und das verstärkt die Stressreaktion, sie kommt in Getreide vor und konkurriert beim Eindringen in die Nervenzellen. Deshalb sollte das Futter für einen gestressten Hund kein Getreide enthalten. Tryptophan reiche Nahrung in Kombination mit dem einem Vitamin-B Komplex Präparat, sorgt für ein positives Gleichgewicht.
Stoffe, die besonders viel Tryptophan enthalten:
• Banane (Bananenchips)
• Putenfleisch, Fisch; dem Futter beimischen oder Einzelgabe
• gemahlene Kürbiskerne
• brauner Reis ins tägliche Futter beimischen
• Sojaprotein.
Da Ben nun wesentlich weniger aktiv ist, benötigt er jedoch weniger Nahrung, da sein Energieniveau sonst zu hoch ist.
Hunde sind Rudeltiere, sie sind es nicht gewohnt, alleine zu sein. Ben hat es zwar gelernt, für einige Zeit alleine zu sein, da Hunde emotional hochintelligent sind und Gefühle wie Freude und Trauer kennen, ist es Ben in dieser schwierigen Zeit jedoch nicht möglich damit alleine gelassen zu werden.
Da kauen selbst beruhigend ist, zerbeißt Ben in Ihrer Abwesenheit sein Körbchen. Es gibt im Fachhandel Ochsenziemer oder Rinderkopfhaut, die sich wegen der Härte gut eignen Stress abzubauen, allerdings sollten diese 1–2 mal die Woche verteilt werden, damit der Hund weder weichen Stuhlgang oder einen Proteinüberschuss bekommt. Sie können Ben darüber hinaus auch noch mit sanfter Musik und Düften wie Kamille und Lavendel helfen sich zu beruhigen. Klassische Musik beruhigt den Hund nachweislich, hingegen Rockmusik den gegenteiligen Effekt bewirkt.
Die kürzeren Spaziergänge können Sie ohne großen Zeitaufwand vorübergehend mit kognitiven Übungen ausgleichen, z. B. Futter in der Wohnung verteilen und es Ben suchen lassen oder zwischendurch mal ein Hundeintelligenzspiel mit ihm machen, ich empfehle dabei Spiele von Nina Ottosson. Mehr solcher Ideen finden Sie in folgendem Buch von Anders Halgren, „Mentales Training für Hunde“.
Dass Ben auf einmal sein Fell so massiv abwirft, obwohl seine Krankheit seit Jahren keine Schübe mehr hatte, liegt an seinem seelischen Zustand. Seelische Vorgänge haben über das vegetative Nervensystem, das Zwischenhirn und die Hormondrüsen einen starken Einfluss auf die Körperorgane. Deshalb ist es so wichtig, bei jeder Krankheit auch den seelischen Aspekt zu betrachten. Hunde reagieren sehr sensitiv auf die Gefühlsregungen Ihrer Bezugspersonen. Unter allen Organen des Hundes stellt die Haut das sensibelste und eines der wichtigsten Funktionssysteme dar. Grundsatz: Alles was Haut und Fell zeigen hat innere Ursachen.
Die Haut ist ein Ausscheidungsorgan und ist deshalb mit den anderen Ausscheidungsorganen verbunden.
Nach der TCM (Traditionellen chinesische Medizin) sind Lunge und Dickdarm für die Haut zuständig und Niere und die Blase für das Fell verantwortlich. Es ist sinnvoll bei Hautkrankheiten den Stoffwechsel zu entlasten. Die Schilddrüse hat Bezug zur Haut, sie hat aber auch mit Emotionen wie Traurigkeit/Verzweiflung zu tun. Situationen, die der Hund nicht verkraften kann, schwächen die Schilddrüse. Eine Funktionsstörung kann dann z.B. zum Haarausfall führen. Alle Mittel, die den Stoffwechsel anregen, wirken sich auch positiv auf die Schilddrüse aus.
Zum Schutz vor Infektionen benötigt der Körper ein gut funktionierendes Abwehrsystem. Bakterien und Viren werden so in Schach gehalten. Wie gut das Abwehrsystem ist, hängt in großen Maß von der seelischen Verfassung des Hundes ab.
Ich empfehle Ihnen folgende Naturheilmittel und ergänzende Maßnahmen, die Ben helfen sollen trotz der aktuellen Situation wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Schüßler-Salze: Durch Schüßler Salze erhält der Körper die Möglichkeit, seine aus dem Gleichgewicht geratene Körperchemie wieder herzustellen. Störungen im Stoffaustausch der Zellen werden behoben und die Zelle kann sich wieder regenerieren. Der Grundsatz dieser Heilmethode ist “ fehlendes wird mit Fehlendem aufgefüllt“. Dosierung: Die Tabletten sollen über die Schleimhäute aufgenommen werden. Geben Sie Ben jeweils zwei Tabletten pro Mittel dreimal am Tag in die Lefzen. Sie können die Tabletten aber auch einweichen und ihn ablecken lassen.
Calcium fluoratum (Nr.1):
Für den Hautstoffwechsel
Für die Hautelastizität
Für bessere Narbenheilung
Zur Stärkung des Immunsystems
Calcium phosphoricum (Nr.2):
Gegen Haarausfall
Zur Kräftigung des Fells
Zur Stärkung der Abwehr
Bei Schilddrüsenfunktionsstörungen
Silicea (Nr.11):
Für den Hautstoffwechsel
Bei Hautentzündungen
Schüßler Salbe Kalium phosphoricum:
Bei schlecht heilenden Wunden
Bei allergischen Hautausschlag
Die Salbe wird auf die betroffenen Körperstellen nach Bedarf aufgetragen.
Fütterung
Karotten: regen die Hautfunktion an und reguliert den Hautstoffwechsel. Knoblauch: fördert den Stoffwechsel der Haut und wirkt gegen Pilze und Bakterien. Kochen Sie aus Karotten mit einer Knoblauchzehe und einem Esslöffel kalt gepressten Öl (Sonnenblumenöl, Olivenöl) einen Brei und geben Sie Ben jeweils einen Esslöffel davon über sein herkömmliches Futter.
Allgemeines: Waschen Sie regelmäßig die Hundedecke ohne Weichspüler, die Decke sollte aus Baumwolle sein.
Fazit "Praxisfall Ben"
Die Frau von Herrn…. ist wenige Wochen nachdem Sie nach Hause kam verstorben. Herr…. hat alles umgesetzt was ich Ihm empfohlen habe. Mein Partner kümmert sich nun regelmäßig um die Fellpflege bei Ben.
Ich habe Herrn… in seiner schwierigen Situation noch kein Training bezüglich der Leinenaggression vorgeschlagen, da dafür das Team erst einmal ins Gleichgewicht kommen muss.
Ben trägt jetzt aber anstelle seines Halsbandes ein gepolstertes Brustgeschirr. Da Herr….. gesundheitlich auch sehr angeschlagen ist und es gut möglich ist, dass er Ben künftig auch manchmal in Pflege geben muss, wurde Ben mithilfe eines Jahreschips chemisch kastriert. Herr… hat alle Maßnahmen umgesetzt und erkennt bereits eine Verbesserung in Bens Verhalten. Bens Erkrankungsschub ist gestoppt, Haut und Fell sind wieder in Ordnung und er kann sogar schon für kurze Zeit alleine zuhause bleiben. Meine Familie und ich begleiten Herrn… und Ben auch privat. Es ist schön zu sehen, das die Beiden langsam wieder zurück in einen geregelten Alltag finden.
Schlusswort und Danksagung
Der Beitrag entstand im stillen Gedenken an eine verstorbene Kundin, deren Schicksal mir noch einmal verdeutlicht hat, dass wir alle nur ein Leben haben. Also leben wir es doch wie die Hunde, “Im Hier und Jetzt“ in Ruhe, im Einklang mit uns Selbst, unseren Mitmenschen und der Natur. Ich habe in meinem Studium gelernt, jeden Hund gleich welcher Rasse und Vorgeschichte vorurteilsfrei und mit Respekt zu begegnen. Sein Verhalten nicht nur als Verhalt zu betrachten, sondern als Ausdruck seiner hündischen Persönlichkeit.
Selbiges gilt auch für deren Menschen am anderen Ende der Leine. Mein Dank gilt all den Hunden, die ich in den vergangenen zwei Jahren in Ihrem Verhalten beobachten durfte und deren Besitzern, die mir schon im noch laufenden Studium ihr Vertrauen geschenkt haben.
Ich danke meinen beiden eigenen Hunden Malo und Aron, die gemeinsam mit mir das Hunde 1 × 1 erlernt haben und mir stets treu und zuverlässig zur Seite standen und weiterhin stehen. Sie zeigen mir Tag für Tag, dass die Schönheit des Lebens in der Einfachheit liegt. Mein Dank gilt auch meinen Dozenten, die mir das wunderbare Wesen Hund so anschaulich, mit großem Detailwissen und viel Liebe zum Hund nahe gebracht haben. Sie alle haben dazu beigetragen, dass ich über den für mich schönsten Beruf der Welt so viel lernen durfte.
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